Was ich bei der Moderation einer Lesung von Bodo Kirchhoff lernte Ich liebe es, etwas über Beziehungen zu lernen. Ich liebe es zu moderieren bzw. zu reden. Insofern bin ich ganz richtig in meinem Traumjob als Traurednerin. Bücher und Lesen liebe ich auch und glaube zudem, dass viel und leidenschaftliches Lesen dem Verfassen von Reden sicherlich nicht abträglich ist. Aufträge, bei denen alle drei Vorlieben zum Tragen kommen, sind somit besonders reizvoll – können aber auch besonders herausfordernd sein. Wie hier, als mich ZweiundAlles fragte, ob ich eine Lesung mit Bodo Kirchhoff moderieren wolle. Er würde aus seinem letzten Werk lesen, „Dämmer und Aufruhr“, einem autobiografischen Roman, in dem es im Gegensatz zu seinem Buch „Die Liebe in groben Zügen“ so gut wie gar nicht um Liebesbeziehungen auf Augenhöhe geht. Nein, in „Dämmer und Aufruhr“ beschreibt Kirchhoff seine Lebensjahre von 4 bis 31, seine Erziehung, seine Eltern, seine Erlebnisse im Internat. Alles kein leichter Stoff – und welche Fragen stellt man einem renommierten Schriftsteller an so einem Abend? Und zwar so, dass es auch für die Liebespaare, die ja die Zielgruppe von ZweiundAlles sind, eine runde Sache wird? Ich habe das Buch durchgeackert. Ja, durchgeackert. Für jemanden wie mich, der eigentlich sehr schnell liest, war das durchaus eine Herausforderung. Kirchhoff springt nämlich so schnell zwischen den drei Erzähl- und Zeitebenen, dass man es nur durch sehr aufmerksames Lesen bemerkt oder ansonsten (so wie ich) wieder ein paar Zeilen zurückhüpfen muss, um den Übergang zu finden und somit wieder gedanklich in der richtigen Ebene zu sein. Nach der Lektüre war mir klar, wie ich den Bogen von den Inhalten dieses Buches seiner frühen Jahre hin zu den Beziehungen als Erwachsener spannen konnte. Denn wir sind heute der Geliebte, die Ehefrau, der Liebhaber, die Liebende in unserer Beziehung, zu dem/zu der wir schon in der Kindheit geformt wurden. Wir beobachten unsere Eltern und andere wichtige, uns nahe Menschen und ihre Beziehungsmodelle. Wir erfahren Liebe. Wir lieben selbst, noch ganz unschuldig und bedingungslos. Aber das, was in den Jahren bis hin zum Erwachsensein mit uns passiert, prägt unsere Beziehungsfähigkeit und die Art, in der wir Beziehungen leben. Welche Werte geben uns unsere Eltern mit? Welche Erwartungen haben wir an unsere Eltern – Erwartungen, die wir zwar erst als Erwachsene an unsere Eltern formulieren können, aber von denen wir auch heute noch genau sagen können, ob sie erfüllt oder enttäuscht wurden. Und wie gehen wir mit einer Enttäuschung um? Alle Eltern machen Fehler, manche mehr, manche weniger. Ich denke: Jedes Kind kann erst anfangen, sein eigenes Leben zu leben, sein eigenes Glück zu finden, wenn es den Eltern vergeben hat und ihnen vorwurfsfrei begegnen kann. Wenn es Verantwortung für sein eigenes Leben, sein eigenes Glück übernimmt, nach vorne schaut und voller Liebe und Versöhnung auf seine Eltern, seine Kindheit. Das ist oft leichter gesagt als getan, aber doch so wichtig. Bodo Kirchhoff hat es durch das Schreiben seines Buches, aber sicherlich auch bereits vorher, in einem langen Prozess, geschafft. Und er hätte sicherlich einiges, über das er sich grämen, das er seinen Erziehungsberechtigten vorwerfen könnte. Er hat eine gelassene, versöhnliche, ja sogar verständnisvolle Haltung seinen Eltern gegenüber entwickelt, kann sich von Gedanken darüber, was sie doch für ihn hätten sein, für ihn hätten tun sollen, mittlerweile freimachen. Das ist im Gespräch mit ihm sehr klar geworden, wofür ich ihn sehr bewundere. Mein persönliches Learning von diesem Abend: Ich fragte ihn, inwieweit er seinen Kindern immer der Vater sein konnte, der er gerne sein wollte und inwieweit seine Kindheit ihm dabei im Weg gestanden hatte. Er antwortete, dass es unglaublich wichtig sei, dass der Partner/die Partnerin immer wieder „etwas sagt“, also immer wieder für die Dinge, die ihr wichtig sind, einsteht, insbesondere wenn sie merke, dass er nach seinen erlernten Mustern agiere, die aber eigentlich dem widersprechen, was sie gemeinsam für ihre Kinder wollen. Wenn sie aufgibt, immer wieder dafür zu kämpfen, sei alles verloren. Frankfurter Verlagsanstalt, Hardcover, 480 Seiten, erschienen August 2018, 28 Euro
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Wenn ihr schon ein bisschen von mir gelesen habt, wisst ihr, dass dieser Titel von mir sein könnte. Ist es doch genau das, was ich allen Paaren sage, ob sie es hören können und wollen oder nicht. Ihr seid die Chefs, es ist euer Tag und bitte, bitte, bitte, versucht euch doch freizumachen von allem, was man von euch erwartet. Deshalb sprach mich also der Titel an und ich wollte es für euch lesen, um es euch empfehlen zu können oder auch nicht. Nicht ganz vorurteilsfrei dachte ich leise bei mir: „Soso, ein DJ also. Ob der schreiben kann? Und ob der überhaupt was zu sagen hat? Der steht doch die ganze Zeit mit seinen Kopfhörern hinterm Pult und baggert höchstens mal die Damen an. Was bitte will der zu einem Hochzeitsablauf groß sagen können?“ Und dann begann ich zu lesen. Mjoah, gar nicht so übel, der Stil. Locker-flockig, direkt ins Buch ziehend, schöne Anekdoten, bei denen man die Protagonisten sofort vor Augen hat. Ob es das nervöse Brautpaar beim Erstgespräch ist oder die schreckliche Tante Inge, die die Frischvermählten „überrascht“ mit dem „tollen“ Ritual des Baumzersägens. Und spätestens beim Satz: „Sicher, für einen vollendeten Gastgeber gilt: Der Gast ist König. Aber seht es doch einfach so: Ihr seid das kaiserlicher Paar!“ hatte er mich. Heftig nickend las ich weiter, lachte (und nickte) über die fünf nervigsten Hochzeitsbräuche, nickte weiter bei den fünf Personengruppen, die ihr nicht einladen sollt, litt mit dem Brautpaar, bei dessen Feier „Dinner-Adel“ auf „Party-Proletariat“ trifft, lachte laut, aber unter Schmerzen an der Stelle auf, wo ein Bräutigam nicht nur langatmig jeden einzelnen Gast vorstellt, während bei diesen die Mägen knurren, sondern dann auch noch den „Singletisch“ hervorhebt und damit die dortigen Gäste als „Ramschware und Beziehungswühltisch“ brandmarkt. Thomas (ich muss ihn jetzt einfach Thomas nennen, wir Hochzeitsdienstleister duzen uns sowieso untereinander und ich vermute in ihm mittlerweile einen Bruder im Geiste) hat einen beeindruckend scharfen Blick für Menschen gepaart mit viel Erfahrung für die Dynamik von Veranstaltungen. Er leitet euch messerscharf her, wie so ein Fest notgedrungen ins Desaster laufen muss, wenn Grundlegendes nicht beachtet wird. Er zeichnet auf, wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren und was man hätte tun können, um das zu vermeiden. Thomas hat feinste Antennen für Atmosphäre, wie man sie kreiert – und hat schon zu oft erlebt, wie sie zerstört wurde. Ich muss gestehen, bis zum Lesen dieses Buches habe ich die Arbeit des DJs komplett unterschätzt. Im Kapitel „Outro“, in dem Thomas den Höhepunkt einer ideal verlaufenden Hochzeit beschreibt und wie er diesen musikalisch choreografiert hat, habe ich Tränen in den Augen und Gänsehaut. Auf den letzten 12 Seiten verrät er dann noch, welche Musikstücke welche Wirkung habe und wann gespielt werden sollen. Jetzt kann ich ermessen, dass allein diese Liste Gold wert ist. Zum Aufbau des Buches: In sechs Teilen enthält es insgesamt 30 Sünden, alle unterhaltsam ausgeschmückt mit Anekdoten und formuliert in sympathisch-wohlwollendem Glaub-mir-ich-weiß-wovon-ich-spreche-Tonfall. Besonders gut gefällt mir, dass Thomas an den Stellen, die eine Herausforderung für das planende Paar darstellen könnten (konkret: Streitpotenzial!) immer wieder betont, was man dabei wieder alles über den Partner und dessen Leben lernen kann und wie sehr einen das vereint, wenn man es entspannt und neugierig angeht. Außerdem gefallen mir seine Lösungsvorschläge für die üblichen Dilemmata, vor denen jedes Paar steht, beispielsweise ob sie Leute zusammensetzen, die sich kennen oder schon bei der Tischordnung zur Durchmischung zwingen. Und was sich wirklich durch das ganze Buch zieht: Aus welch liebevollen und fürsorglichen Augen er „seine“ Brautpaare sieht und wie ungemein wichtig ihm das Gelingen eures Festes ist. Kurzum: Eine unbedingte und uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die heiraten wollen! Als Service für euch habe ich wichtigsten Sätze rausgeschrieben. Es ist aber natürlich immer nur ein Satz – wer genau wissen will, warum und was passiert, wenn man sich nicht daran hält, lese bitte Thomas‘ Buch. Nach dessen Lektüre kann jede Hochzeit nur noch zu dem rauschenden, unvergesslichen Fest werden, von dem ihr doch alle träumt! Taschenbuch, Broschur, 272 Seiten, € 9,99. Erschienen im März 2013, Verlag: Blanvalet Merksätze Es wird das persönlichste, intimste und wohl auch teuerste Fest eures Lebens. Da bleibt null Raum für faule Kompromisse. (Seite 27) Die Mitternachtstorte ist der Todesstoß für die Feier: eine Zwangssitzpause wegen eines völlig überflüssigen, von keinem Gast goutierten und zudem überteuerten Stücks Killertorte. (Seite 63) Es ist immer wieder erstaunlich, wie man allein durch das Wecken einer Erwartungshaltung Menschen steuern kann. Das gilt vor allem für größere Gruppen wie Hochzeitsgesellschaften. Die Meute muss wissen, wo die Reise hingeht, damit sie sich wohlfühlt. (Seite 77) Hochzeitsspiele gehören verboten. Ich finde es eine Frechheit, mit fantasielosen und unpersönlichen Spielchen die kostbare Zeit eines einmaligen Festes zu verschwenden. (Seite 100) Es ist die Aufgabe des Zeremonienmeisters, möglichst die magischen 10% an guten Beiträgen im Vorfeld herauszufiltern und den peinlichen Rest knallhart abzulehnen. (Seite 113) Der DJ ist der wichtigste Dienstleister eurer Hochzeit. (Seite 131) Naja, der Satz ist natürlich Quatsch. 😉 Der wichtigste Dienstleister ist eindeutig die Hochzeitsrednerin. Versteht sich. Aber gut, die Vorarbeit in Sachen Atmosphäre, die sie leistet mit Rede und Zeremonie muss der DJ natürlich standesgemäß fortführen. Und ja, wenn er ein gutes Gespür hat und die Party am Brennen hält, ist es völlig egal, wie lecker das Essen oder wie groß die Torte war. Der DJ sollte unauffällig im Hintergrund arbeiten, anstatt mit dummen Sprüchen und Ansagen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Kein Mensch interessiert sich für seine Person. Selbstdarsteller sind da fehl am Platz. (Seite 132) Ein DJ braucht ein emotionales Musikgedächtnis, also das Wissen, welche Stimmung ein bestimmtes Lied beim Publikum in einer konkreten Situation auslösen wird. (Seite 133) Wo immer der Snack steht, darf es keine Sitzgelegenheiten geben. Und er darf nicht zu üppig sein, so dass alle im Fresskoma sind und niemand mehr tanzen mag. (Seite 89) Selbst das edelste Ambiente mit dem tollsten Ausblick hat nicht den geringsten Einfluss darauf, ob euer Fest gelingt. Konzentriert euch von Anfang an auf das Wesentliche: Auf die Menschen, die feiern! Die Gäste sollen gemeinsam tanzen, lachen und Spaß haben. Ihr könnt sicher sein, dass die Leute davon noch jahrelang sprechen werden – während sich kein Mensch dann noch dafür interessieren wird, was es zu essen gab und ob die Stühle mit seidenen Hussen für zehn Euro Miete pro Stück verhüllt waren. Und: bleibt unter euch! Ihr solltet ein genaues Bild davon haben, was während eurer Feier sonst noch so im Hause passiert. (Seite 181) Feiern mit unbeschränkter Getränkepauschale enden in der Regel früher und unangenehmer als Feste mit limitierter Alkoholauswahl. (Seite 232) Ihr bestimmt, wann Schluss ist! Die Weisheit, man solle immer aufhören, wenn es am schönsten ist, gilt ganz besonders für das Fest des Herzens. Den stimmigen Ausklang einer Hochzeitsfeier zu schaffen, erfordert Charakterstärke. (Seite 245) Nach dem Lesen des Buches hat man wahrscheinlich nur noch einen Wunsch: Dass bitte Thomas auf der eigenen Hochzeit auflegen möge. Macht er aber leider nicht mehr. Aber er hat ein Netzwerk von DJs aufgebaut, die seinen Qualitätsansprüchen genügen. |
Willkommen!An dieser Stelle berichte ich ab der 2018er Saison über Hochzeiten, coole Ideen "meiner" Paare und Erlebnisse aus meinem Traurednerinnen-Alltag. Archiv
Juli 2024
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