Bei eurer Hochzeit versammelt ihr die Menschen um euch, die euch die liebsten sind. Deshalb vermisst man an diesem Tag jene, die ihn nicht mehr erleben durften, ganz besonders stark. Diese Trauer, dieses Vermissen hat auch während eines Freudenfestes einen Platz. „Er hätte mich so gerne zum Altar geführt.“
„Ich wünschte, du hättest sie noch kennenlernen können – sie hätte dich so gemocht.“ „Er hätte mein Trauzeuge sein müssen.“ Ob Elternteile, Großeltern, Freunde, Geschwister, Verwandte – auf den meisten Hochzeiten gibt es mindestens eine Person, die schmerzlich fehlt. Dazu muss sie noch nicht einmal gestorben sein, auch ein familiäres Zerwürfnis oder ein unüberbrückbarer Streit zwischen engen Freunden tut am Hochzeitsfest besonders weh. Gerade in der Trauzeremonie gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese wichtigen Menschen dazuzuholen. Indem wir gemeinsam an sie denken. Das geht viel weniger pathetisch, viel weniger traurig, als ihr das jetzt vielleicht noch vermutet. Wichtig ist, dass eure Traurednerin einen natürlichen Umgang mit dem Thema hat und nicht anfängt rumzudrucksen. Eine ziemlich sichere Bank ist hier jemand, der nicht nur Hochzeits-, sondern auch Trauerreden hält. Wie genau ihr der fehlenden Menschen gedenken wollt, besprechen wir gemeinsam. Denn da gibt es kein Richtig oder Falsch, kein So-auf-keinen-Fall und kein Wenn-dann-so. Eure Trauer ist so individuell wie eure Liebe, sie ist akut oder langjährig, intensiv oder ganz sanft. Ein paar Beispiele für ein solches Einbinden nenne ich euch im Folgenden. Für alle gilt, dass wir im Vorfeld zu dritt genau besprochen haben, wie konkret ich das Thema einbinde. Mit Namensnennung oder ohne. Mit einer Beschreibung des Verhältnisses, dass ihr zu den fehlenden Personen hattet oder ohne. Ob ich erzähle, warum genau wer heute fehlt oder ob ich einfach nur sage, dass es Menschen gibt, die ihr heute vermisst. Immer gilt auch, dass ich das, was ich sage, im ersten Fünftel der Zeremonie sage – und dass ich das respektvoll, ohne jede Dramatik tue. Und dass ich es auf jeden Fall schaffe, nach diesem ruhigen Moment die Stimmung wieder aufzuhellen und die Aufmerksamkeit und die Herzen von euch und euren Gästen auf das zu richten, was heute und jetzt gefeiert wird. Kerze Ihr könnt während der Zeremonie eine Kerze in einem Windlicht anzünden. Auf der Kerze können sogar die Namen derer stehen, die ihr vermisst. Luftballon Viele Ballons nach einer Zeremonie steigen zu lassen, ist ja mittlerweile aus Umweltschutzgründen zu Recht nicht mehr sehr en vogue. Ich finde aber, einen großen Ballon, auf dem vielleicht sogar etwas steht wie „Wir vermissen dich/euch“ oder „Grüße nach oben – wir feiern für euch mit“, während der Zeremonie steigen zu lassen, kann durchaus schön sein und gut tun. Stuhl Sehr viel Platz nimmt ein Verstorbener ein, wenn er sprichwörtlich einen Platz zugewiesen bekommt. Während der Zeremonie, vielleicht sogar während der Feier. Mir persönlich ist diese Variante zu stark, weil damit der Mangel, das Fehlen beispielsweise des Brautvaters die ganze Zeit sehr präsent ist und durchaus Einfluss auf die Stimmung nehmen kann. Wenn die Braut aber den Anblick des leeren Stuhls als tröstlich empfindet und die Brautmutter sich damit auch gut fühlt, ist das natürlich eine veritable Möglichkeit. Foto Für ein Portrait, was während der ganzen Trauzeremonie vorne beim Brautpaar steht, gilt ähnliches wie für den leeren Stuhl. Symbolische Handlung Wenn ihr während der Zeremonie Wünsche auf Papier, Steinen oder Holzherzen von den Gästen einsammelt, die diese aber bitte am besten schon daheim vorbereitet haben, kann die Rednerin ein leeres Stück Papier, Stein oder Holzherz als erstes in das Wünsche-Behältnis geben, um den Verstorbenen miteinzubeziehen. Was auch immer euch vorschwebt, dass uns darüber sprechen und gemeinsam überlegen, welche Variante für euch die passendste ist.
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Dieser Artikel wird etwas persönlicher als sonst. Zehn Jahre lang habe ich bei dem schwedisch-deutschen A-Cappella-Chor Swensk Ton e.V. gesungen, unter der Leitung von Nils Kjellström. Ich bewundere und verehre Nils ungemein. Dieser Mann ist Musik pur, hat unendliche viele Stücke arrangiert und komponiert und mit einer Engelsgeduld mit seinen Chören einstudiert. War Musik pur. Denn Nils ist vor Weihnachten im Alter von 76 Jahren gestorben, schnell und für mich sehr unerwartet. Ein persönlicher Nachruf – den ein Mensch wie er hat es sowas von verdient, dass ihm auch im Internet viele kleine Denkmäler gesetzt werden. Lieber Nils, als ich Mitte Dezember erfuhr, dass du ab Januar aus gesundheitlichen Gründen alle deine Chöre aufgeben wirst, wusste ich, dass es dir sehr schlecht gehen musste. Ich nahm mir vor, dir zu schreiben. Einen echten Brief – denn es gibt so vieles, wofür ich dir dankbar bin. Und kurz vor Weihnachten erfuhr ich dann, dass du am Nachmittag gestorben bist. Nun sitze ich hier und weine. Und gleichzeitig blubbern in mir kleine Erinnerungsbläschen hoch, die mich lächeln lassen. Du hast so viel Schönes in diese Welt gebracht, Nils. Du hast vor allem so viel unsagbar schöne Musik in diese Welt gebracht. Ich habe es geliebt, in deinem Swenskton zu singen. Am liebsten waren mir die Stücke, die ich auswendig konnte und bei denen ich dich während des Dirigats beim Singen genau beobachten konnte. Wie sehr du diese Musik genossen hast. Wie du in ihr schwelgen konntest, wenn wir alles oder auch nur fast alles richtig sangen und die Töne dich so umschwirrten, wie du es dir beim Arrangieren oder Komponieren vorgestellt hast. Du hast mir mal gesagt, dass dieses Gefühl, bei einem Konzert vor uns zu stehen und uns zu dirigieren und in der Musik zu baden, für dich besser als Sex sei. Du hast mir auch mal gesagt, dass dich das Dirigieren körperlich sehr anstrengt – vor allem aus einem Grund: Weil du nicht mitsingen darfst. Auch andere Menschen haben dich sehr genau beim Dirigieren beobachtet – von uns Sängern mal abgesehen. Da war doch dieser junge Mann auf einer der Schwedenreisen, der während des Konzerts unter der Bank mit seinen Händen wedelte, so dass wir es von der Bühne aus zwar nicht sahen, aber unsere Freunde im Publikum es uns erzählten. Darauf angesprochen erwiderte der junge Mann, dass er deine Arbeit als Dirigent sehr bewundere und noch nie solche Dirigatbilder gesehen habe. Die musste er eben gleich nachahmen und ausprobieren, weil er bei uns gehört hat, dass sie offensichtlich gut funktionieren. Er hat uns auch gezeigt, welches er vor allem meinte: Diese Geste, wenn du mit der einen Hand nach oben und der anderen nach unten gezogen hast und wir unseren Gesang daraufhin an diesen Stellen intensivierten. Überhaupt – du hast uns an unseren guten Tagen wie eine perfekt gestimmte Orgel gespielt. Wir hatten die Stücke gut geübt, sehr gut geübt und wussten genau, was du an welchen Stellen von uns wolltest. „Wer sich in meinen Proben keine Notizen macht, der hat entweder ein unglaublich gutes Gedächtnis oder macht etwas grundlegend falsch“, sowas in der Art hast du mal gesagt. Aber liebenswürdiger als ich das kann. Diese Liebenswürdigkeit ist glaub ich dein herausragendstes Merkmal. War. Ich habe nie wieder einen Menschen getroffen, der so viel Sanftheit, Liebenswürdigkeit und gleichzeitig Autorität ausstrahlt. Niemand im Chor hätte diese Autorität in Frage gestellt. Selbst als du so schlecht gehört hast, dass Wortmeldungen mehrfach wiederholt werden mussten – musikalisch entging dir nichts. Mit deiner leisen Art, deiner ruhigen Bestimmtheit hast du so viel mehr erreicht als manch anderer sanguiner Dirigent. Selbst dein Machtwort war leise. In den zehn Jahren, die ich bei Swenskton gesungen habe, hast du vielleicht fünf Mal eines sprechen müssen. Nur einmal direkt vor einem Konzert, als die Konzentration einfach nicht kommen wollte. Und die anderen Male, als dir die Probendisziplin zu lasch geworden war. Wenn von einem leisen Menschen wie dir ein leises Machtwort kommt, ist das ungeheuer mächtig. Du hast viel von deinen Sängern erwartet. Das wussten alle…ja, es gab sogar Zeiten, da musste man dir das schriftlich geben. Die Atmosphäre in den Chorstunden, die du so sehr geprägt hast, werde ich nie vergessen. Natürlich haben wir auch geschwätzt, wie alle anderen Chorsänger. Aber wir haben auch konzentriert gearbeitet, und wenn du uns zum zehnten Mal diese eine Stelle hast proben lassen und sie uns zu den Ohren rauskam – wir haben ohne (laut) zu murren mitgemacht. Drei Stunden hast du jeden Montag mit uns geprobt. Klar, wir hatten eine Pause. Wenn ein Geburtstag war, ist die auch mal länger als 12 Minuten gewesen. Denn Genießen konntest du genau wie wir. Aber drei Stunden Dirigieren, das ist schon eine Hausnummer. Du musstest ja in jeder Minute voll da sein. Wie du das gar auf den Proben-Wochenenden gemacht hast, werde ich nie verstehen. Der ganze Chor war völlig geschafft am Samstagabend und dich musste man dennoch zwingen, Schluss zu machen und zum launigen Teil überzugehen. Wo dann selbstredend auch gesungen wurde, aber dann halt schwedische Trinklieder oder andere niedere, leichte Kost. Die du zwar nicht verachtet hast, die dir glaub ich aber auch nicht viel gegeben hat. Und wir alle wussten, dass du es gar nicht schätztest, wenn wir ausgelassen, ungeübt, halb auswendig und höchstens halb richtig spontan vor Publikum „sangen“. In Anführungsstrichen. Denn Gesang war für dich was anderes und es gefiel dir nicht, wenn wir ein Bild abgaben, das uns (und dir) nicht gerecht wurde. Eine andere Art des Probens war im Sextett, wo wir beide theoretisch je einer von sechs Sängern waren und du uns alle zu Diskussion und Input ermutigt hast. Du hast dich nicht um den Hut gerissen, hast ihn gerne auch mal abgegeben – im Sextett an die von uns anderen fünf, die ebenfalls eine musikalische Meinung vertreten wollten. Und im Chor sowieso an deine beiden Co-Dirigenten Ali und Andrea. Doch zurück zum Sextett, denn das war ebenfalls ein besonderes Erlebnis für mich. Das ich dir verdanke. Dass du mich gefragt hast, ob ich dabei sein will, war wie ein kleiner Ritterschlag. Was habe ich in diesen Stunden gelernt…es war eine so bereichernde und inspirierende Erfahrung, die so viel mehr in mir bewegt und ausgelöst hast. Doch das gehört hier nicht hin. Bei den Proben war auch oft meine damals nur wenige Monate alte Tochter dabei war. Die über Stunden andächtig unseren mehr und anfangs auch mal weniger schönen Tönen lauschen konnte. Mir gefällt der Gedanke, dass sie das geprägt hat. Genauso wie die Tatsache, dass ich bis kurz vor der Geburt gesungen und nur wenigen Wochen nach der Entbindung wieder in die Probe kam. Und schließlich auch dieses eine Mal während eines Proben-Wochenendes, als ich sie als kleines Baby auf dem Arm hatte und wir in der Probe Oh Magnum Mysterium gesungen haben. Das ist so eins der Stücke, bei dem ich immer Gänsehaut habe, sogar jetzt, wenn ich nur daran denke. Ich glaube, dass diese Musik meine Tochter beeinflusst hat. Ich glaube, sie hat die Liebe zur Musik in ihr gesät. Sie nimmt sehr viel mit ihren Ohren wahr, lernt unglaublich schnell Musikstücke zu singen. Auch das ist mit dein Werk, lieber Nils. Apropos meine Tochter. Ich frage mich, ob für dich diese Szene genauso unvergesslich war wie für meinen Mann und mich. Als zwei deiner Chöre dich zu deinem 70. Geburtstag überrascht haben. Du dachtest, du fährst zu einer normalen Probe und da waren dann auf einmal so viel mehr Sänger als du erwartet hast. Die dich von der Bühne aus ansangen und dir mit Tönen zum Geburtstag gratulierten. So, auf diese Weise, im Mittelpunkt zu stehen, geehrt und gefeiert zu werden…boah, war dir das unangenehm. Und meine Tochter, die mit ihren damals eineinhalb Jahren wie viele Kinder ein so feines Gespür für Menschen hat, muss wohl gespürt haben, dass du dich zwar natürlich freust, aber gleichzeitig auch ganz verloren warst. Und da ist sie auf dich zulaufen, obwohl sie dich nun wirklich nicht gut kannte, und du, auch ganz untypisch, hast sie auf deinen Arm genommen. Und aneinandergeschmiegt habt ihr der restlichen Darbietung gelauscht. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die ich mit dir verbinde. Etwa dein unvermeidlicher Kaffee während der nächtlichen Vorstandssitzungen. Im Gegensatz zu den Zigaretten war das ja eher ein kleiner Genussmoment denn ein Laster. Doch die Zigaretten, die du immer oben in deiner Hemdtasche hattest, hatten dich im Griff. Das hast du irgendwann mal akzeptiert und sie freundlich-lakonisch in dein Leben integriert. Wir haben dich manchmal mit diesem Laster aufgezogen, worauf du ebenfalls nur freundlich abgewunken hast. Manche Kämpfe lohnt es sich nicht zu kämpfen. Kämpfen ist ein Wort, das ich so gar nicht mit dir in Verbindung bringe. Es klingt zu aggressiv, zu massiv für einen sanften Menschen wie dich. Wir waren auch mal uneins, ja. Ich erinnere mich an genau zwei Situationen. In beiden haben wir keinen gemeinsamen Nenner gefunden, weil unsere beiden Positionen Berechtigung hatten. Und wenn ich manchmal gegrübelt habe, ob die Konsequenzen dieser Uneinigkeit meine Position wert waren…ich konnte die Frage glücklicherweise immer mit Ja beantworten. Denn ein sauberer Schnitt erlaubt Heilung. Und dass ich hier heute mit Tränen in den Augen – und gleichzeitig einem Lächeln sitzen kann. Ich weiß nicht, woran du gestorben bist. Ob du gelitten hast. Ob du Angst hattest. Aber ich weiß, dass du nicht allein warst. Und auch das macht mich glücklich. Denn so nah du uns allen in jeder Chorprobe, bei jedem Chor-Wochenende, bei jeder Chorreise warst, so allein und auf dich gestellt warst du in deinen vier Wänden. Du bist mir manchmal vorgekommen wie ein hagerer einsamer Wolf, der für ein paar Stunden aus der Steppe zu einem seiner Rudel dazustößt, in der Menge aufgeht, untertaucht, die Gegenwart der anderen genießt, um dann wieder – wohl auch ganz zufrieden damit – in die Einsamkeit zurückzukehren. Nils, du hast mir so unglaublich viel gegeben. So viele Musikstücke, die ich nur dank dir kennenlernen durfte. Singen durfte. Durch dich habe ich mich musikalisch unglaublich weiterentwickelt, ein Gespür für Noten, für Musikstücke bekommen. Meine Liebe zur Musik ist durch dich gewachsen, hat sich gewandelt, ist intensiver geworden. Ich danke dir: Für jedes Musikstück, das du geschrieben oder arrangiert hast. Das du mit uns einstudiert hast. Für deine unendliche Geduld. Deine unermessliche Freundlichkeit. Für dein verschmitztes Lächeln, das ich nie vergessen werde. Du bist für immer in meinem Herzen. |
Willkommen!An dieser Stelle berichte ich ab der 2018er Saison über Hochzeiten, coole Ideen "meiner" Paare und Erlebnisse aus meinem Traurednerinnen-Alltag. Archiv
Juli 2024
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